"In Ordnung, ich würde auch lieber zusammen losziehen", bestätigt Natan zusätzlich mit einem Nicken. Als die beiden geradewegs auf den Gang mit der Nummer 31 zusteuern, hören sie von hinten Ruainaigh's Stimme hallen. "Von wegen überstanden!" Gleich darauf kommt er angerannt und wird dabei von drei Flammen verfolgt, einer blauen, einer grünen und einer gelben. Die Flammen sind noch ein Stück entfernt und der Novize klärt seine Kollegen sofort eilig über die Situation auf. "Als ich den Gang entlang ging, bin ich auf eine Bodenplatte gestoßen. Als ich die berührt hab, sind Flammen aus dem Boden herausgeschossen."

Die Flammen scheinen kein normales Feuer zu sein, sonst hätten sie wohl kaum solche Farben. Dennoch, Flammen sind Tamnainn vertraut, sodass er keine Angst verspürt. Er tritt ein paar Schritte in den Gang hinein und hofft, dass die Flammen an ihm vorbei schießen.

Zielgerichtet bewegen sie sich im engen Gang in einer Dreierreihe auf Tamnainn zu, der sich nun selbst auf sie zubewegt. Ein bestimmtes Ziel scheinen sie nicht zu haben, denn sie bewegen sich weder nach links oder nach rechts. "Tamnainn was machst du da? Willst du dich verbrennen?", ruft ihm Ruainaigh zu. Natan sagt nichts und beobachtet das Geschehen, so als würde er Tamnainn vertrauen. Der junge Magier spürt bereits die Hitze, wie sie näher kommt und gierig nach ihm schnappen will. Vermutlich wäre jetzt der letzte Moment einen Rückzieher zu machen, denn um ihn herum werden sie allem Anschein nach nicht wandern, sondern ihn zumindest streifen.

Tamnainn tritt im letzten Moment zur Seite und versucht so den Flammen auszuweichen. Auch wenn ihm die Hitze nichts ausmacht, sind ihm die Flammen nicht so recht geheuer. Dennoch scheint ihm, dass es besser wäre, sie würden ihn treffen als Ruainaigh, dem Feuer mehr anhaben kann.

Zwei der Flammen streifen Tamnainn links und rechts. Hitze steigt für einen kurzen Moment in ihm auf, schlägt ihm ein paar Schweißperlen auf die Stirn, hinterlässt jedoch kaum bis gar keine Schmerzen. Allein seine Robe ist danach ein wenig angekokelt, aber das war sie vorher durch den Kampf mit dem Tier auch schon. "Sind die ungefährlich", fragt sich Ruainaigh sofort. "Wer weiß, aber sie scheinen einen anderen Weg zu nehmen, als den unseren", stellt Natan sogleich fest und er hat Recht, die Flammen schlagen den Weg mit der Nummer 4 ein und verschwinden nach und nach im Dunkel des Labyrinths. Natan blickt den Flammen noch hinterher und richtet sich dann an Tamnainn. "Alles in Ordnung?" Der blonde Magier, der sich wieder beruhigt hat, fügt noch hinzu: "Geh ja nicht weiter alter Knabe, da ist eh nur eine Sackgasse."

"Alles bestens", meint Tamnainn ruhig. Auch wenn sie eine andere Farbe hatten, scheinen die Flammen also doch gewöhnliches Feuer gewesen zu sein. Dieses Wissen wird ihnen bestimmt noch nützen, denkt sich der Noch-Novize und geht ein paar Schritte in den 31er-Gang hinein. "Schauen wir mal, ob das hier ebenfalls eine Sackgasse ist", schlägt er vor.

Zwei weitere Abzweigungen mit der Nummer 6,7 und 29 tun sich auf. "So und jetzt? Wieder drei Zahlen", stellt Natan nüchtern fest. Ruainaigh sieht jetzt schon genervt aus und guckt sich hektisch um. "Na toll... wir sind in einem verdammten Labyrinth gefangen!"

Tamnainn denkt nach. "Wir scheinen es hier mit einem Zahlenrätsel zu tun haben". Diesmal sind zwei Primzahlen dabei, ob das etwas zu bedeuten hat? "Wir hatten bis jetzt die Zahlen 1, 4, 31, 6, 7, 29, richtig? Haben die irgendetwas gemeinsam?", sagt er nachdenklich. Angestrengt versucht er, das Geheimnis zu entschlüsseln. "Vielleicht sollten wir einfach mal einen Weg weitergehen, je mehr Zahlen wir sehen, desto eher können wir einen Zusammenhang herstellen.", schlägt er vor.

"Hab keine Ahnung, vielleicht sollten wir versuchen den höheren Zahlen zu folgen", schlägt Ruainaigh nun seinerseits vor. Natan überlegt und lässt sich dabei alles durch den Kopf gehen. "Gute Idee, aber wir müssen mehr Informationen sammeln, wie Tamnainn schon gesagt hat. Diesmal such ich mir einen aus, folgt mir. " Er wählt die 29 und erreicht abermals eine Kreuzung. Die Nummern lauten 11, 23, 16. "Nochmal drei dazu", wirft der blonde Magier ein.

Im Kopf verzeichnet Tamnainn die bereits kennengelernten Abzweigungen. "Wir sind von 1,31,4 los, 1 war eine Sackgasse. Von 31 sind wir zu 6,7,29, von 29 zu 11,23,16." Tamnainn denkt laut nach. "Vielleicht funktioniert es über die Ziffernsumme? Die Ziffernsummer von 29 wäre 11, aber das passt nicht mit der 31, denn 4 war schon bei der ersten Gabelung. Fibbonacci oder so etwas wird es nicht sein, dazu kommen zu wenige der Folgenzahlen vor. Aber es wird irgendso etwas sein, denke ich. 1 plus 5 ist 6, 6 plus 5 ist 11. Dazu passen aber die anderen beiden nicht." Angestrengt versucht Tamnainn, irgendeine Verbindung zwischen den Zahlen herzustellen. Ihm fällt auf, dass bei jeder der Kreuzungen nur eine Zahl gerade war. Vielleicht war das ja des Rätsels Lösung? "Möglicherweise müssen wir immer den Weg mit der gerade Zahl nehmen? Schließlich ist das immer nur einer, der gerade beziffert ist", schlägt er nun vor.

Natan, nicht minder angestrengt am Überlegen, stimmt Tamnainn schließlich zu. "Wäre zumindest ein Versuch wert, also dann die 16?" Ruainaigh scheint nicht begeistert zu sein und gibt seine Bedenken preis: "Habt ihr schon die Flammen von vorhin vergessen? Wir sind doch gerade vielleicht am richtigen Weg. Es könnte ein gutes Zeichen sein, dass wir bisher mit keinen weiteren Hindernissen fertigwerden mussten."

"Du meinst, dass wir einfach weiter den höchsten Zahlen folgen sollten? Das ist sicher auch eine Möglichkeit. Aber wir können ja jetzt mal die 16 nehmen, und wenn das nichts Gutes bringt, noch immer den anderen Weg nehmen. Solange es nicht mehr Hindernisse gibt als ein paar Flammen, mache ich mir eigentlich keine Sorgen." spricht Tamnainn aus, was er sich denkt, und geht ein paar Schritte in Richtung 16er-Weg hinein.

"Na gut", erwidert der blonde Magier daraufhin lakonisch. Die Gruppe macht sich also auf dem Weg zum Gang mit der Nummer 16. Wieder tut sich eine Kreuzung auf und wieder finden sie drei weitere Möglichkeiten vor. Gänge mit den Nummern 1, 14 und 12 weisen ihnen einen Weg.

"Verdammt!", lässt Tamnainn einen unbedachten Fluch los, um sich gleich darauf wieder zusammenzureißen. Er weiß, dass er die Konzentration nicht verlieren darf, auch wenn es hier ein wenig länger dauern würde. "Dann war meine Theorie doch nicht richtig, bitte entschuldigt. Interessant, dass jetzt wieder eine 1 vorkommt, meint er. Vielleicht hätten wir doch den großen Zahlen folgen sollen.", meint er. Man merkt ihm seine Ratlosigkeit an.

Natan versucht Tamnainn zu beruhigen. "Schon gut, wir wissen schließlich alles nicht wo der Ausgang ist und wo wir lang gehen müssen." Ruainaigh schnippt mit den Fingern. "Ich glaub ich hab was rausgefunden. Bei der letzten 1 haben mich die Flammen gejagt, oder? Ich wette die 1 ist immer eine Falle, also da sollten wir lieber nicht lang gehen."

"Aber bei den anderen Zahlen kam auch die 1 vor, und da war nix.", entgegnet Tamnainn, wieder beruhigt. "Vielleicht solltn wir den letzten Gang zurückgehen und dann einfach immer der höchsten Zahl folgen." Schon wieder macht er einen Vorschlag, langsam hat er das Gefühl, dass er immer die Verantwortung in ihrer Dreiergruppe übernehmen muss. Doch Tamnainns Gefühllosigkeit ist zu weit fortgeschritten, als das ihn der Ärger über die anderen beiden tatsächlich tangieren könnte.

"Ich meinte eher, wenn die 1 alleine da steht, so wie es am Anfang der Fall war", korrigiert sich Ruainaigh noch einmal, weil Tamnainn ihn nicht ganz verstanden hat. Als dieser dann seinen nächsten Vorschlag preis gibt, erwidert der Blonde lässig: "Hab ich doch gesagt, alter Knabe." Natan wird langsam selbst unruhig. "Wir müssen nur aufpassen, dass wir uns nicht verlaufen und hier nie wieder rausfinden. Also los."
Nachdem die Gruppe zurückgegangen ist, nimmt sie den Gang mit der Nummer 23. Danach tut sich eine Kreuzung mit den Zahlen: 19, 18 und wieder einer 1 auf. Ihren Plan folgend bleiben sie immer auf dem Gang mit der höchsten Zahl. Danach treffen sie auf die Zahlen 20, 12 und 17. Auch diesmal bleiben sie ihrem Vorhaben treu und sie stehen nach wenigen Minuten wieder vor der Qual der Wahl: 15, 12, 1. Rhuainaigh tritt gegen die Wand. Es scheint fast so, als würde ihm die Situation den Verstand rauben und die verstecke Ruhe, die er kurz nach dem Kampf mit dem Dämonen ausstrahlte, langsam in sich zusammenzubrechen. Natan selbst seufzt, wirft aber eine Idee ein. "Könnte eine Kreuzung mit der Nummer 1 nicht immer eine Sackgasse sein? Vielleicht ist dies ein Zeichen, dass wir auf dem Holzweg sind?"

"Aber dann wäre ja schon die erste Kreuzung eine falsche gewesen", entgegnet Tamnainn. "Irgendwie kann ich das nicht so recht glauben, allerdings bezweifle ich langsam auch, dass die höchste Zahl der richtige Weg war." Tamnainn hockt sich, durch den langen Weg bereits etwas erschöpft, auf den Boden. "Es gibt jedenfalls keinen Grund, zu verzweifeln", meint er mit Blick auf Ruainaigh, "denn wir werden den Weg zurück jedenfalls finden - wir haben ja immer die höchste Zahl genommen, und wenn ich mich recht erinnere, ist nur einmal die Zahl höher geworden - von 19 auf 20. Und in der Kammer am Anfang war noch mehr als genug Essen und Getränke, um das Labyrinth ausführlich erkunden zu können, sollten wir es nicht schaffen, es beim ersten Anlauf zu knacken."

Ruainaigh lässt sich mit verschränkten Armen auf den Hintern plumpsen. Er hört Tamnainn zu, doch begeistert scheint er nicht zu sein, allerdings versucht er ruhig zu bleiben. Natan setzt sich nun ebenfalls, um wieder Kraft zu tanken. "Stimmt, außerdem gibt es keine genaue zeitliche Begrenzung bei der Zeremonie. Wenn wir alle die Ruhe bewahren, dann schaffen wir es durch dieses Labyrinth, denn einen Weg muss es geben, dass steht fest, oder was meint ihr?" Nach seiner Frage sieht er hoffnungsvoll in die Runde. Ruainaigh spart sich zunächst eine Reaktion und guckt stattdessen zu Tamnainn.

Seufzend lehnt sich Tamnainn an die Wand. "Jedenfalls besteht hier eine gute Chance, den Verräter Glynn einzuholen. Denken wir mal jeder nach, dann wird unser Geist es schaffen, das Rätsel zu lösen". Ohne die Reaktion der beiden abzuwarten, schließt er die Augen. Ohne Mühe kann der Novize seinen Geist einzig allein auf ihre jetzige Aufgabe fokussieren. Zum Glück fällt es Tamnainn leicht, mit Zahlen umzugehen, sodass ihm die Abzweigungen wie Wegweiser vor den Augen stehen - 1,4,31,6,7,29,11,23,16,19,28,1,20,12,17. Es gibt so viele Möglichkeiten, diese Zahlen zu verbinden, welche ist es bloß? Augenscheinlich werden die Zahlen immer kleiner, offenbar gibt es bei fast allen Abzweigungen eine Primzahl. 31 - 7 - 11,23 - 19 - 17 flimmern vor sein Augen. Doch war das uneindeutig, und zum Schluss gab es keine Primzahlen mehr. Und warum so oft die 1? Warum bloß so oft die 1? War sie tatsächlich eine Falle, wie Ruainaigh behauptete? Wenn man 1 abzog, befand sich bei jeder Kreuzung zudem eine durch 3 teilbare Zahl - doch dann wäre zu beginn nicht alles eindeutig gewesen, Und was, wenn man in einen Strudel voller falscher Eingänge gezogen würde, wenn man einmal die falsche Abzweigung wählte? Dann wäre der Ansatz mit Primzahlen doch richtig. Tamnainn schlägt die Augen auf. "Wir sollten die Primzahlen entlang gehen! Überlegt einmal, bei jeder Abzweigung gab es mindestens eine Primzahl, und wir sind lange zufällig diese entlang gegangen, weil sie immer die größten waren! Nur, wenn wir sie nicht gegangen sind, einmal bei der 16 und jetzt bei der 20, war keine mehr dabei. Ich schlage vor, dass wir zurückgehen und die 17 wählen!" Tamnainn schöpft neuen Mut, und das ist seinem Tonfall auch zu entnehmen.

"Glynn, mit dem haben wir noch eine Rechnung offen", knurrt Ruainaigh verächtlich. "In meinen Augen ist er einfach ehrlos, so jemand kann kein Kenget werden, dass würde Kamulos nie zulassen, davon bin ich überzeugt", fügt Natan sogleich noch an. Dann hören beide Tamnainn aufmerksam zu, da er scheinbar eine Lösung ausarbeitet. Dann schnippt der blonde Magier mit dem Finger. "Alter Knabe! Klingt logisch, dass muss es sein. Ich hätte wirklich nicht so oft die Mathematik Lehrstunden schwänzen sollen." Im dunklen Labyrinth kommt Natan schließlich nicht herum, über die Aussage seines Kollegen zu schmunzeln. "Mach dir nichts draus, ich bin auch nicht daraufgekommen, doch dies muss wahrlich die Lösung sein, es passt einfach zu gut."
Mit Hoffnung im Herzen glühend, machen sich die Novizen zurück zur Nummer 17 auf und schlagen deren Weg auch sofort ein. Sie finden weitere Primzahlen in den folgenden Gängen. Zunächst die 13, dann folgt die 11. Die Kreuzung mit der 11 haben sie schon vorher einmal passiert. 7, 5, 3 und 2 folgen, bis sie schließlich an einer seltsamen Kreuzung ankommen. Die drei Wege, die sich ihnen auftun, sind mit den Zahlen 1, 1 und 0 beziffert. "Bloß nicht die 1!", warnt Ruainaigh sofort. Natan hat ebenfalls noch bedenken weiterzugehen und zögert. "Der Eingang des Labyrinths hatte gar keine Ziffer, aber der Ausgang die 0? Ich bin skeptisch. Was sagst du, Tamnainn?"

Erleichtert stellt Tamnainn fest, dass seine Lösung die richtige zu sein scheint, schließlich folgen immer wieder weitere Primzahlen, bis sie an das offenkundige Ende des Labyrinths kommen. Doch 1, 1 und 0? Was das wieder zu bedeuten hat? "Hmmm, es behagt mir nicht, die Null entlang zu gehen, aber wenn nicht, was dann? Wir könnten mal ganz vorsichtig die Null erkunden, und sehen, wohin uns der Weg führt. Auf Schalterplatten würde ich aber nicht treten wollen.", sagt Tamnainn seine Meinung "Aber falls jemand eine bessere Lösung hat, immer her damit."

"Ich auch nicht. Aber mal ne ganz andere Idee, probieren wir doch die beiden Einser Gänge einfach gleichzeitig aus", schlägt Ruainaigh vor. Natan wirkt zwischen Risikofreudigkeit und Skepsis hin und her gerissen: "Ziemlich riskant, aber dann würde uns auch nur noch die 0 und 2 bleiben, falls wir wirklich was auslösen. Riskieren würde ichs aber, oder wir erkunden gleich die 0."

"Und wie verständigen wir uns, falls der jeweilige Weg der richtige ist?" Ganz begeistert scheint Tamnainn nicht davon zu sein, sich zu trennen - wobei ihm klar ist, dass jeder für sich selbst diese Prüfung zu bestehen haben wird - und es daher irgendwann zu einer Trennung kommen wird. "Vielleicht erkundet jeder mal einen Gang, und in ein paar Minuten treffen wir uns wieder hier.", schlägt er also vor.

"Ich denke die Gänge sind nicht so kurz, als dass ein Ruf nicht gehört werden kann", versucht Natan den besorgten Tamnainn zu beruhigen. Ruainaigh nickt: "Klar, aber ich nehm keinen Einser-Gang mehr, dass wär unfair." Mit diesen Worten, die er teils trotzig äußert, macht er sich, ohne noch etwas hinzuzufügen, auf in den Nuller-Gang. "Jetzt müssen wir wohl unser Glück versuchen", meint Natan schließlich schmunzelnd, tut es Ruainaigh gleich, nimmt aber einen der Einser-Gänge.

Tamnainn seufzt. Nun ist es also bald soweit, denkt er sich und ist sich sicher, dass das Aufnahmeritual bald beendet sein würde - denn was sollte noch kommen? Die Zeit der Unreinheit, die Zeit voller Zweifel und unreiner Gedanken und Träume würde bald vorbei sein. Er denkt an die Frau, seine Mutter, die ihn in den Träumen der letzten Zeit heimgesucht hatte. Nun würde sie ihn nicht mehr belästigen, da war sich Tamnainn sicher. Er würde endlich der Unreinheit entsagen und seinem Gott ein entscheidendes Stück näher kommen. Dieser Gedanke macht dem Novizen Mut, sodass er voller Zuversicht in den Gang vor ihm mit der Nummer 1 schreitet, seinen Wünschen entgegen.

So trennen sich die Wege der Drei fürs Erste. Während Tamnainn den dunklen Gang entlang wandert, muss er feststellen, dass dieser zunehmend dunkler wird, Schritt für Schritt. Irgendwann ist er an einem Punkt angelangt, an dem er nichts mehr sieht. Sollt der Novize weitergehen wollen, so würde er zumindest nicht mehr wissen wo es lang geht.

Wie automatisch entzündet sich eine kleine Flamme an den Fingern des Novizen, als er in die Dunkelheit schreitet, vorsichtig auf Hindernisse oder merkwürdige Gegebenheiten des Ganges achtend.

Der Raum wird aufgehellt und ist jetzt besser zu erkennen. Vor Tamnainn tut sich eine Bodenplatte auf, ihr Farbe ist grün, ansonsten befindet sich nichts in dem Gang.

Anscheinend war dieser Gang also doch eine Sackgasse gewesen. Und schon wieder eine Bodenplatte! Tamnainn fragt sich, warum die hier ständig Bodenplatten einfügen mussten. Ob wieder Flammen hervor schießen? Sonst etwas mit ihm passiert? Tamnainn überlegt, ob er umkehren soll, und die anderen beiden nach ihren Gängen befragen sollte. Doch Tamnainn weiß, dass er sich den Herausforderungen, die ihm seine Lehrer aufgeben, stellen muss, um als rein und würdig anerkannt zu werden. Nur so kann er die Angst endgültig überwinden, nur so seinem angestrebten Ziel näher kommen. So tritt er auf die Platte, bereit, sich zu verteidigen, bereit, sofort ein paar Schritte zurück zu springen.

Tamnainn berührt die Platte schließlich zögerlich und sie rastet ein. Keine Flammen, keine Dämonen, zunächst passiert ganz einfach nichts. Doch dann, einige Sekunden später, hört er etwas weiter entfernt einen Ruf von Ruainaigh. "Alle mal herkommen!"

Tamnainn hechtet zurück. Offenbar hat seine Berührung im Nullergang etwas ausgelöst. Tamnainns Gedanken rasen. Was, wenn Ruainaigh jetzt wegen ihm etwas zustößt? Ist das der Grund, warum zwei Gänge die Eins und einer die Zahl Null trägt? Vielleicht sollte Natan bei seinem Gang ebenfalls eine Bodenplatte niederdrücken, schließlich ist er auch im Einsergang! Aufgeregt läuft Tamnainn um die Ecke in Ruainaighs Gang.

Der junge Novize braucht nicht lange, dann erreicht er die Abzweigung, kurz nach ihm kommt dann auch Natan bei ihr an. Schnell wird er feststellen, dass seine Ängste unbegründet sind. "Na alter Knabe? Sag bloß du hast dich um mich gesorgt?", flakst er sofort herum. "Was ist denn... passiert?", fragt Natan schließlich geschwind. "Also da war ne Türe, natürlich verschlossen und ohne Knauf. Ich wollte mich schon umdrehen, aber da hat sie sich geöffnet. Dachte mir dann gleich, dass ihr etwas damit zu tun habt. Naja und jetzt steh ich hier und ihr seit außer Atem.", meint er grinsend und klopft Tamnainn auf die Schulter.

Erleichtert, aber auch ein wenig verärgert schaut Tamnainn auf seinen Kollegen. "So wie du gerufen hast, hätte man ja auch glauben können, dir sei was passiert.", schüttelt er den Kopf. Dieser Ruainaigh mit seinen Späßen, wird er die als Oqulo auch noch treiben?, denkt sich Tamnainn. Nach einer kurzen Pause schaut er auf Natan. "Jedenfalls, in meinem Gang war ne Bodenplatte, die hab ich gedrückt. Vielleicht ging die Tür deshalb auf. Natan, hast du bei dir was beobachten können?", fragt er, und macht sich schon daran, bei negativer Antwort durch die Türe zu gehen.

"Nein, bei mir war dasselbe.", erwidert Natan kurz angebunden und zusammen mit Ruainaigh folgt er Tamnainn in Richtung des Ganges mit der Nummer 0. Die Tür am Ende des Ganges ist bereits offen, scheinbar ist es eine Art Schiebetür, die sich nach oben hin geöffnet hat. Keiner der Novizen zögert und so durchschreiten sie die Türe. Wieder müssen sie einen langen Gang entlang gehen, minutenlang. "Irgendwann muss dieser Flur doch ein Ende haben...", jammert Ruainaigh vor sich hin. Es liegt soviel Spannung in der Luft, dass sie fast erdrückend wirkt. Das Ganze wird auf den Höhepunkt gebracht, als die Drei plötzlich wieder eine blutige Schrift an der Wand lesen:

Schrift:

Als Tamnainn die Schrift an der Wand in fierbriger Aufregung entziffert, strömt Freude und Glücksgefühl durch seinen Körper. Nun würde er also die Möglichkeit bekommen, endlich am Ziel seiner jahrelangen Träume anzukommen! Die Jahre seiner Kindheit in den engen, dunklen Tiefen Khamulons, wo er als Sklave die Schmach der Unreinheit am eigenen Leib erfahren musste, das Leben eines Novizen, der zu nichts befugt war und immer wieder gescholten wurde, es würde endlich ein Ende haben! Gott Kamulos, ich werde ein ehrenvoller Diener sein. Ich werde ein Kenget sein!, stammelt Tamnainn innerlich. Doch was, wenn er die letzten Prüfungen nicht bestehen würde und versagen würde. Tamnainn mag nicht daran denken, doch er spürt, wie Aufregung und Angst sich wieder bei ihm melden.

Auch die anderen lesen die Schrift und sind stehen geblieben. Natan verhält sich wie immer recht ruhig. Ruainaigh hingegen wirkt nervös, als er mit dem Lesen fertig ist. Er lässt sich mit dem Rücken gegen eine Wand fallen. Der Blonde sieht niedergeschlagen aus, auch ein wenig Angst ist in seinen Augen zu sehen. "Wollen wir?", fragt Natan sachlich.

"Ruainaigh, reiß dich zusammen.", meint Tamnainn, hat aber keine große Lust, seinem Freund sonst noch groß weiterzuhelfen. Wenn er das nicht alleine packt, kann und sollte man ihm nicht helfen, das weiß Tamnainn. Mit einem Blick auf Natan meint er "Ja, lasst uns gehen.", und lässt seinen Worten sogleich Taten folgen.

Ruainaigh antwortet nicht, er scheint in seinen Gedanken und Ängsten gefangen zu sein. Natan blickt ihn an, sieht aber selbst so aus, als würde er das gleiche sagen wollen wie Tamnainn. Zusammen machen sich also Tamnainn und Natan auf weiterzugehen. Nach ein paar Sekunden, sie haben das Ende des Ganges noch nicht erreicht, sehen aber bereits ein Tor an dessen Ende, bleibt Natan noch einmal stehen. "Also wollen wir ihn zurücklassen?" Der blonde Novize sitzt mittlerweile auf dem Boden, die Hände vor dem Kopf und in Einsamkeit versunken.

Kenget Kamulos sein bedeutet, rein zu sein. Es bedeutet, seine Ängst zu überwinden, seine Furcht zu nutzen und zu verwenden, um die Unreinen und die Feinde Kamulos in Finsternis und Schrecken zu stürzen. Wer dafür nicht bereit ist, verdient es nicht, Oqulo zu sein. Er verdient es auch nicht, von reinen und ehrbaren Dienern des Kriegsgottes beachtet oder gar unterstützt zu werden. All das ist Tamnainn bewusst. Und auch wenn seine Gefühllosigkeit in den letzten Tagen und Wochen immer neuere Ebenen erreicht hatte, spürt er, dass es ihm wehtut, seinen Freund alleine, verzweifelt auf dem staubigen Boden in den Tiefen der Unterstadt sitzen zu sehen. Doch wie soll er ihm helfen? Er kann ihn nicht zur Reinheit führen, dazu anleiten. Doch der junge Mann unternimmt einen letzten Versuch, Ruainaigh aus dem Reich seiner Angst zurückzuholen. "Ruainaigh!", ruft er, sodass es von dem Gewölbe des Gangs widerhallt. "Ruainaigh!" Sollte der Angesprochene nicht reagieren, wird sich Tamnainn mit einem Achselzucken umwenden, und seinen Freund aus früheren Tagen hinter sich zurücklassen, wie er schon viele alte Gefährten zurückgelassen hat. Doch er weiß, dass dies den elenden Hungertod für den Novizen bedeutet, und es macht ihn traurig, das zu wissen.

Für den Bruchteil einer Sekunde, scheint Ruainaigh auf die Rufe seines Gefährten zu reagieren, doch dann ist dieser Moment auch schon wieder erloschen. Er bleibt sitzen, verlassen und alleine in der Dunkelheit Khamulons. Natan sieht nun doch ein wenig wehmütig aus, auch er ist sich über die Lehren Kamulos' bewusst. "Ich glaube... Ruainaigh ist nicht bereit dafür.", meint er mit ruhiger Stimme. Anschließend geht er wortlos auf das Tor zu, bleibt aber zunächst stehen, weil er auf Tamnainn wartet, bevor er es öffnet. Er seufzt, während seine Hände nun doch ein wenig zittern und seine innere Ruhe deutlich weicht. Genau wie viele andere Novizen, hat auch Natan sich jahrelang darauf vorbereitet.

Auch Tamnainns Gemütszustand ist bewegt. Der Kampf und der Gang durchs Labyrinth haben an seinen Kräften gezehrt, auch wenn die Novizen sich zwischendurch ausruhen konnten. Dazu kommt noch die Erschütterung, Ruanaigh zurücklassen zu müssen, und nun eine Welle an Angst, die er seinen Geist durchfluten spürt. Doch gelingt es Tamnainn, sich zu konzentrieren, er versucht auch, das Drama um Ruainaigh hinter sich zu lassen, und geht zu Natan, wo er diesem zunickt. Sollte dieser weiter zögern, drückt er selbst das Tor auf.

Natan zögert zunächst doch noch, aber der nach außen hin furchtlose Tamnainn stößt das Tor zu seinen Träumen auf. Beide durchschreiten es zügig und es fällt wieder hinter ihnen zu.
Nun befinden sie sich in einem sehr großen Raum, der dem Schlachtfeld Kamulos' ähnelt, also der Arena von Khamulon. Doch sie sind nicht alleine, es befinden sich sicherlich noch an die 100 Novizen, Kledo und Oqulo, mit ihnen in diesem Raum. Manche sind schon da, andere Gruppen oder auch Einzelne treten gerade jetzt erst durch die Tore, denn es befinden sich mehrere in diesem Raum. Viele von den Novizen sehen von den Strapazen mitgenommen aus, wahrscheinlich mussten sie ähnliche oder auch die gleichen Prüfungen, wie Tamnainn's Gruppe bestehen. Auch Glynn steht nicht unweit von Tamnainn und Natan und wirft ihnen einen missgünstigen, aber vor allem überraschten Blick zu.
"Sind das alles Novizen?", Natan blickt verwirrt drein, wobei seine Frage vermutlich eher rethorisch gemeint ist. "Es werden wohl mehr zu Kenget, als ich anfangs gedacht habe. Weißt du noch die vielen Toten, die wir im Tier-Raum gesehen haben? Und das waren ja nur diejenigen, die den gleichen Weg vor sich gehabt hatten wie wir, unglaublich."

Überrascht muss Tamnainn feststellen, dass am heutigen Tag offensichtlich noch viel mehr Novizen aufgenommen werden. Er hatte immer geglaubt, dass die Aufnahmsprüfung eine private und persönliche Zeremonie sein würde. Nun, darin schien er sich getäuscht zu haben. Tamnainn spürt eine Hauch von Wut aufkommen, als er Glynn unbeschadet inmitten des Platzes stehen sieht, doch bleibt er äußerlich ruhig. Zwar überlegt er kurz, ob er gleich zu ihm hinübergehen und ihn zur Rede stellen soll, doch ahnt er, dass dies nicht der richtige Augenblick wäre. Der Zeitpunkt würde kommen, an dem Glynn zur Verantwortung gezogen werden würde. Stattdessen wartet der Novize das weitere Geschehen ab, und beobachtet, welche bekannten Gesichter er unter den Anwesenden erkennen kann.

Tamnainn sieht unter den Anwesenden Novizen sowohl bekannte Oqulo, als auch Kledo, mit denen er jahrelang tagtäglich an einem Tisch gegessen, gelernt und sich ab und an mal unterhalten hat. Viele von ihnen sind ihm deshalb auch namentlich bekannt, vor allem die Oqulo. "Glynn... er ist auch hier.", stellt Natan nun auch fest und ihn seiner Stimme ist deutliche Verachtung zu hören. Abgesehen von den Novizen, entdeckt der Braunhaarige in der Mitte des Raumes mehrere Truhen, um die sich einige seiner Kollegen bereits neugierig geschart haben.
Da sich die beiden nicht vom Fleck bewegt haben, können sie hören, wie die Türe aus der sie kamen, sich plötzlich erneut quietschend öffnet. Heraus tritt ein ernst aussehender Ruainaigh. Tamnainn kann mit Fug und Recht behaupten, dass er den blonden Magier so noch nie gesehen hat. Zwar schauen dessen Augen relativ verweint aus, doch auch das kindliche, was ihn stets zu einer Frohnatur im düsteren Khamulon gemacht hat, scheint wie verblasst und nie dagewesen zu sein.

Tamnainn ist hocherfreut, als der den Freund durch die Türe schreiten sieht. "Ruainaigh! Hast du es doch geschafft!", meint er und bemerkt die Veränderung, die dieser offensichtlich durchmachte, nicht. Er klopft dem Novizen auf die Schulter. "Ganz schön viel los hier, was?"

Fast unmerklich reagiert Ruainaigh auf das Klopfen und erwidert schlicht: "Sieht so aus, alter Knabe." Jedoch ist in seiner Stimme jegliche Begeisterung gewichen, er wirkt gar ein wenig kalt, jedoch sicherlich konzentriert und voll bei der Sache. Natan lächelt seinem blonden Kollegen sofort zu. "Ja, es freut mich auch."
Während Ruainaigh sich umsieht und wieder zurück zu seinen Mitnovizen gefunden hat, wird die Menschentraube bei den Truhen stetig größer. Alles in allem scheint es allerdings so, als würden die ganzen Novizen mehr oder weniger eingesperrt sein.

Tamnainn bemerkt nun die Veränderung in Ruainaighs Sprache, in seinem Gesichtsausdruck, in seinem Wesen. Ihn freut die Verwandlung Ruainaighs. Er hatte die fröhliche Art seines Freundes immer gemocht, aber war sich auch darüber im Klaren gewesen, dass diese Fröhlichkeit für ihn ein Hindernis, ein Hemmschuh auf dem Weg zur Vergeistlichung gewesen war. Gefühle mussten überwunden werden, um Kamulos dienen zu können. Die Konzentration, die nötig war, um diese Gefühle ebenso wie die Angst, die ihn im Gang befallen hatte, zu überwinden, würde ihn umso stärker machen, dessen war sich Tamnainn sicher.
"Lasst uns mal sehen, was dort in der Mitte vor sich geht.", meint er schließlich, und bewegt sich auf die Truhen zu, um sich dort umzusehen.

Natan und Ruainaigh nicken. Auf dem Weg dahin erzählt Natan noch: "Glynn ist auch hier, weißt du." Der blonde Novize sieht seinen Kollegen etwas wütend an, während er eine Hand zur Faust ballt. "Unglaublich, wir sollten es ihm jetzt heimzahlen, er hätte uns beinahe umgebracht.", fordert Ruainaigh sofort.
Als Tamnainn in Sichtweite der Truhen kommt, entdeckt er, dass es verschiedene Truhen sind. Auf jeder Truhe thront der Kopf eines Dämon aus purem Gold. Von ihnen wurden bisher allem Anschein nach nur wenige geöffnet, viele sind verschlossen und bleiben es wohl auch. Denn die meisten glotzen nur, anstatt etwas zu tun.

"Wir werden dazu schon Gelegenheit bekommen", erwidert Tamnainn die wütenden Worte seines Kollegen, während sie auf die Truhen zusteuern. Er quält sich durch die versammelte Masse an Menschen, die bei den Truhen steht und versucht dabei zu erkennen, ob es sich hierbei nur um Novizen handelt, oder ob auch Kenget darunter sind. Bei den Truhen angekommen, nimmt er diese genauer in Augenschein. Er begutachtet die Dämonenköpfe, insbesondere, ob es sich dabei um besondere Dämonen handelt und ob er an den Truhen irgendeine Art von eingeschlossenen Zaubern oder Flüchen erkennen kann.